WALD  2009 – 2012

Die Vorstellung des Waldes ist seit Jahrhunderten imaginär. Ins kollektive Gedächtnis hat er sich nachdrücklich durch märchenhafte und mythische Erzählungen eingeschrieben. Hierin begreift sich die bildhafte Wesenheit des Waldes zumeist als ein psychisches Rückzugsareal, in dem kindliche Sehnsüchte und Ängste überdauern können. Doch inwieweit überdeckt die regressive Folie gegenwärtig unsere zivilisatorische Perspektive auf den Wald? Was bedeutet es konkret, was erkennen wir, wenn wir den Wald aufsuchen?
Michael Lange ist in seinem aktuellen Buch- und Ausstellungsprojekt Wald diesen Fragen nachgegangen. Über drei Jahre hinweg durchstreifte er zu den Zeiten der Dämmerung und des Zwielichts Deutschlands Wälder. Mit sicherem Gespür hat er dort jene Rückzugsorte ausfindig gemacht, an denen sich die Imaginationen der Kindheit mit nüchternen Naturdokumenten zu eindrücklichen visuellen Prägungen verdichten. Sie zeugen vom verspäteten Wagnis des erwachsenen Ich, endlich an jenen Ort zu gelangen, nach dem sich das kindliche Gemüt über all die Jahre gesehnt hat.
Langes Waldszenerien zeichnen sich im Sinne einer Vergewisserung als betont zeitlose Naturaufnahmen aus, die gleichermaßen mythisch wie real wirken. Atmosphärisch sind seine Motive durchdrungen von einer tiefen Befriedung und Erhabenheit. Dabei zählt es zu den Eigentümlichkeiten der Bilder, dass sie in der Anschauung ein Geheimnis bewahren. Sie schöpfen aus den Momenten des schwindenden oder erwachenden Lichts ein fast zärtlich zu nennendes Konzentrat. Bestimmend hierbei ist die immer wieder gestellte Frage, wie Stille im Bild entstehen kann.
Das Versagen der subjektiven Kategorien des Menschen im Wald erzwingt eine erhöhte Wachsamkeit. In den fotografischen Bildern von Michael Lange ist aus diesem potenziert wachsamen Erleben eine künstlerische Strategie erwachsen. Sie ist wohl am ehesten mit jener Erfahrung vergleichbar, für die die Dichter der deutschen Romantik ein eigenes Wort ersannen: Waldeinsamkeit.                                                    Christoph Schaden
 
Das Buch WALD erschein 2012 bei Hatje Hatje Cantz (vergriffen), eine LTD Edition mit einem Pigment Print ist im Shop erhältlich.
Editions Drucke und Preise sind in diversen Grössen und in kleinen Auflagen über das Studio oder die Galerie Morat in Berlin zu erfragen.